KINO - IN MEINEM HIMMEL



wj Aurich. Weil sie „nur“ brutal vergewaltigt, jedoch von ihrem Peiniger nicht umgebracht worden war, äußerte ein Polizist gegenüber dem Opfer Alice Sebold, im Prinzip hätte sie ja nochmal „Glück gehabt“. Genau so - im englischen Original kurz „Lucky“ - lautete dann auch der Titel ihres Debütromans, mit dem sie ihren schrecklichen Erlebnisse zu verarbeiten versuchte. Es wurde ebenso ein Bestseller wie das 2002 erschienene Nachfolgewerk „In meinem Himmel“, das jetzt von Peter Jackson („Herr der Ringe“) verfilmt worden ist.

Erzählt wird darin die Geschichte der 14-jährigen Susie Salmon (Saoirse Ronan). Die lebt Anfang der 70er Jahre mit ihren Eltern und ihren beiden Geschwistern in einem verschlafenen Städtchen im US-Bundesstaat Pennsylvania. Abgesehen von den üblichen kleineren Reibereien geht es innerhalb der Familie ausgesprochen harmonisch zu. Eines Tages nimmt Susie auf dem Rückweg von der Schule eine Abkürzung durch ein Maisfeld. Dort begegnet sie ihrem Nachbarn George Harvey (Stanley Tucci). Der lockt das Mädchen in einen unterirdischen Bunker, den er nach eigenem Bekunden extra für die Kinder gebaut hat. Susie bekommt ein mulmiges Gefühl und will nach Hause gehen. Doch George lässt sie nicht. Inzwischen machen sich die Eltern allmählich Sorgen, wo ihre Tochter so lange bleibt. Die kehrt kurz darauf zwar wieder in das Elternhaus zurück, findet es aber leer vor. Als sie im ersten Stock George Harvey in einer Badewanne sieht und neben ihm auf dem Waschbecken ihr Armband sowie eine blutige Rasierklinge erblickt, begreift sie, dass sie von ihrem Nachbarn umgebracht worden ist. Susie befindet sich in einer Art Zwischenhimmel. Während sie nach wie vor mitkriegt, was auf der Erde passiert, können die Menschen dort sie nicht sehen, sondern haben allenfalls ab und an eine diffuses Ahnung, Susies Geist wäre irgendwie noch da. Ihre Leiche bleibt einstweilen verschwunden und ihr Mörder weiterhin auf freiem Fuß. Ohnmächtig muss Susie nun mit ansehen, wie ihre Familie wegen ihres Verschwindens mehr und mehr verzweifelt und daran zu zerbrechen droht. Unterdessen hält George Harvey schon nach seinem nächsten Opfer Ausschau...
Selbst wenn die literarische Vorlage zu „In meinem Himmel“ häufig sehr ins Kitschige abdriftet, bleibt der Roman trotzdem stets packend, weil es Alice Sebold exzellent gelingt, aus der Perspektive der ermordeten Protagonistin in die Psyche ihrer Figuren einzudringen und diese offen zu legen. Das passiert in der Verfilmung viel zu selten. Die Darsteller haben kaum Gelegenheit, ihre Charaktere zu vertiefen. Sobald das ansatzweise geschieht, meint Peter Jackson mit aufwendigen Spezialeffekten, spektakulären Kamerafahrten oder besonders geistreichen Überblenden aufwarten zu müssen, um die ohnehin bereits in der Geschichte enthaltene Symbolträchtigkeit zusätzlich zu untermauern. Angesichts der sensiblen Thematik mutet das bisweilen an wie der berühmt-berüchtigte Elefant im Porzellanladen. Wie so oft wäre hier weniger eindeutig mehr gewesen. Außerdem konnte sich der Regisseur offensichtlich nicht entscheiden, ob sein Streifen eher ein Mystery-Film oder ein Thriller werden sollte. Zumindest etwas entschädigt werden die Kinozuschauer dank überdurchschnittlich gut agierender Schauspieler. Speziell Nachwuchsstar Saoirse Ronan und der in dieser Rolle für einen „Oscar“ in der Kategorie als bester Nebendarsteller nominierte Stanley Tucci liefern eine absolut brillante und sehenswerte Leistung.
(Ostfriesische Nachrichten vom 20. Februar 2010. Trailer: Paramount)