Bülent Ceylan - Ganz schön turbülent
Ein positiver Beitrag zur Völkerverständigung
wj Aurich. Auf der einen Seite gelten Witze über Ausländer als unschicklich und rassistisch. Auf der anderen Seite wäre es aber mindestens genauso fatal, komplett darauf verzichten zu wollen, weil auch das als eine Form von Ausgrenzung aufgefasst werden könnte. Jemand, der sich in diesem Spannungsfeld bestens auskennt, ist der in Mannheim als Sohn einer deutschen Mutter und eines türkischen Vaters aufgewachsene Bülent Ceylan. Am vergangenen Freitag trat der mehrfach preisgekrönte Komödiant in der Auricher Sparkassenarena auf und machte dabei dem Motto seines aktuellen Programms „Ganz schön turbülent“ wirklich alle Ehre.
Sein persönliches Umfeld ist für Bülent Ceylan nach eigenem Bekunden ein ständiger Quell der Inspiration. Die Hosen im Hause Ceylan hat danach wohl eindeutig Mutter Hilde an. Vater Ahmet, der 1958 als Gastarbeiter nach Deutschland kam, trägt das vermeintliche Matriarchat allerdings mit südländischer Fassung und Gelassenheit. Während er es sich in der Hängematte gemütlich macht, darf seine Gattin eine mit Erde schwer beladene Schubkarre durch den Garten schieben. Das muss auch so sein. Schließlich handelt es sich um „Muttererde“, wie Ahmet achselzuckend feststellt. Neben den Eltern ist für Bülent außerdem sein sehr auf deutsche Tugenden bedachter Großvater prägend gewesen. Auf die Frage, was eigentlich genau typische deutsche Tugenden sind, pflegte der Opa stets zu antworten: „Das was Türken nicht können!“ Spannungen mit dem Vater waren da fast vorprogrammiert, und oft musste der kleine Bülent die Folgen ausbaden. Als er sich für Radrennen zu interessieren begann und der Opa ihm begeistert die Mannheimer Sportlegende Rudi Altig nahe zu bringen versuchte, musste Papa den armen Sohn erst einmal auf einem Maulesel durch die Gegend scheuchen, bloß damit er nicht auf dumme Gedanken kommen und sich womöglich „falsche“, weil hochgradig „untürkische“ Vorbilder aufbauen würde.
Was diese Doppelstrategie am Ende bei Bülent Ceylan angerichtet hat, wurde am Freitag besonders anhand einer Geschichte deutlich, in der der Komödiant eine Alltagssituation aus dem Supermarkt schilderte, die sicherlich viele von uns kennen. Man hat sich gerade einen Einkaufswagen gezogen und bemerkt, dass ein oder mehrere Vorgänger ihren Unrat wie zum Beispiel Zettel, Verpackung, Blätter und dergleichen darin haben liegen lassen. Statt es einfach in einen Papierkorb zu verfrachten, verfährt ein guter deutsche Kleinbürger wie folgt: Er packt das Zeug in den nächsten Einkaufswagen, damit sich nicht nur er, sondern auch andere sich darüber aufregen können. Bülent Ceylan trieb dieses Spielchen weiter auf die Spitze, indem er einen auf diese Weise von ihm verärgerten nachfolgenden Supermarktkunden dreist entgegnete: „Unverschämtheit! Das ist bestimmt wieder ein Türke gewesen.“
Solche permanenten Perspektivenwechsel sind kennzeichnend für das Programm des gebürtigen Mannheimers, auch wenn er in seine verschiedene Rollen schlüpft. Eine der von ihm verkörperten Charaktere ist der türkische Ladenbesitzer Aslan, der in seinem Geschäft absichtlich ein paar Glühbirnen herausgeschraubt hat, weil das Obst in der Auslage im schummrigem Dämmerlicht frischer aussieht. Warum seine Tochter ausgerechnet mit einem Ostdeutschen zusammen ist vermag er nicht nachzuvollziehen. Jedenfalls wird er nicht müde, über die „Ossis“ herzuziehen, wobei angesichts einiger seiner Aussagen selbst manch' erzkonservativer „Wessi“-Stammtisch glatt verstummen würde. Spätestens wenn er über den schreckliche sächsische Dialekt herzieht, wird das für Aslan jedoch zum Bumerang, da seine Aussprache ebenfalls alles andere als korrekt ist und er statt Spaß z.B. permanent „Schepass“ sagt.
Den Mannheimer Dialekt hat er Bülent Ceylan ganz nach dem Vorbild der Mama aber mindestens genauso exzellent drauf. Obwohl er sich zu seinen heimatlichen Wurzeln bekennt, hindert ihn dies keineswegs daran, ab und an sich und seine deutschen Landsleute ein bisschen auf die Schippe zu nehmen. So versuchte er am Freitag als Mannheimer Prolet Harald dem Auricher Publikum zu erklären, wie man durch mehr oder weniger geschicktes Schlackern der Beine vermeidet, sich am Hintern oder an anderen ähnlich verfänglichen Körperstellen zu kratzen. Die Sache hatte lediglich den kleinen Schönheitsfehler, dass die Schlackerbewegung erst recht auffällig und zum Brüllen komisch aussah. Immerhin erfuhren die Ostfriesen dadurch nebenbei, welches Wort die Mannheimer für „Pinkeln“ verwenden. Sie nennen das „Brunzen“. Die entsprechende plattdeutsche Vokabel „Miegen“ hat sich Bülent Ceylan seit Freitag auch angeeignet. Er ging nämlich im Verlaufe des Abends immer wieder auf Reaktionen und Aktionen der Zuschauer ein. In einem Falle unterbrach er sogar sein Programm, um abzuwarten, bis jemand von seinem Toilettengang zurück gekehrt war. Ceylan nahm den vom tosenden Applaus der Zuschauer zunächst sichtlich verblüfften Mann persönlich an der Eingangstür in Empfang und geleitete ihn an seinen Platz. Die Aktion hatte trotzdem nicht einen Hauch von Peinlichkeit an sich, wie überhaupt festzustellen war, dass der gesamte Abend rundum locker und unverkrampft ablief. Bülent Ceylan ist ein Mensch, der ausgesprochen authentisch und erfrischend ungekünstelt rüberkommt. Da kann man dann getrost über die ein oder andere Plattitüde hinwegsehen. Im Kern hat Ceylan die typischen Schwächen und Macken von Deutschen und Türken gleichermaßen gut getroffen und sie dabei so liebevoll verpackt, dass beide Seiten herzlich darüber ablachen können. Insofern ist sein Programm auch und gerade ein positiver Beitrag zur Völkerverständigung.
(Ostfriesische Nachrichten vom 08. November 2010)