KINO - SHERLOCK HOLMES




wj Aurich. London, Baker Street 221b – hier wohnte um die Wende des 19. und 20. Jahrhunderts einer der berühmtesten Figuren der Kriminalliteratur. Obwohl seine Adresse wie auch er selber reine Fiktion waren, haben die meisten trotzdem eine relativ klare Vorstellung davon, wie Sherlock Holmes ausgesehen haben muss. Immerhin ist der vom britischen Autor Arthur Conan Doyle geschaffene Meisterdetektiv unzählige Male verfilmt worden. Auch Regisseur Guy Ritchie hat dies getan, dabei jedoch das gewohnte Bild vom feinen Gentleman mit Deerstalker-Hut und Lupe radikal über Bord geworfen.

Die Geschichte spielt gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als die Bauarbeiten an der Tower Bridge gerade in vollem Gange sind. Doch die Einwohner von London beschäftigt noch etwas anderes. Die Stadt wird nämlich von einer Mordserie erschüttert. Fünf junge Frauen sind bereits getötet worden, da gelingt es Sherlock Homes (Robert Downey Jr.) und seinem Partner Dr. Watson (Jude Law) endlich, den Übeltäter auf frischer Tat zu stellen und in letzter Sekunden einen sechsten Mord zu vereiteln. Der der schwarzen Magie zugetane Lord Blackwood (Mark Strong) nimmt seine Verhaftung allerdings ungewöhnlich gelassen hin. Kurz vor seiner Hinrichtung bittet er Sherlock Holmes zu einer Unterredung ins Gefängnis und prophezeit ihm, dass bald drei weitere Morde geschehen werden. Den Lord selbst ereilt kurz darauf der Tod durch den Strang. Dass er auch wirklich mausetot ist, wird der Polizei von Dr. Watson höchst persönlich bescheinigt. Wenige Tage später passiert dann das schier Unglaubliche: Jemand will Lord Blackwood gesehen haben. Tatsächlich ist die dicke Steinplatte zu seinem Grab zerbrochen, und im Sarg liegt ein Fremder. Sollte Lord Blackwood etwa von den Toten wieder auferstanden sein?

Zugegeben, stellenweise tendiert Guy Ritchies Verfilmung schon stark in Richtung James Bond. Abgesehen von etlichen spektakulären Explosions- und Action-Szenen betrifft dies auch und vor allem den Protagonisten. Der von Robert Downey Jr. mit lässiger Arroganz durchaus überzeugend interpretierte Sherlock Holmes ist sich für keine Prügelei zu schade, und er übertritt gerne mal die Gesetze, sofern er das für erforderlich hält. Wenngleich dies nicht unbedingt „very gentlemanlike“ klingt, bewegt es sich dennoch gar nicht so weit von der literarischen Originalvorlage weg. Sherlock Holmes als feiner Herr aus gehobener Gesellschaft – dieses Bild war und ist weniger durch seinen Schöpfer geprägt worden, sondern vielmehr seinen Illustratoren und den zahlreichen Verfilmungen zu verdanken. Den charakteristischen Deerstalker-Hut hat Arthur Conan Doyle z.B. nur in einer einzigen Geschichte erwähnt und dort auch bloß am Rande. Der Autor konzipierte seinen Helden eher als einen Individualisten, der sich im Übrigen mit Selbstverteidigungstechniken bestens auskannte. Zudem – hier kann der Film ebenfalls direkt auf Doyle Bezug nehmen – war der Meisterdetektiv kein Meister in Sachen Körperhygiene. Der mit Abstand wichtigste Aspekt bei Sherlock Holmes ist ohnehin von je her sein messerscharfer analytischer Verstand gewesen. Und der kommt bei Guy Ritchie keineswegs zu kurz. Im Gegenteil, in seinen Grundzügen bleibt der Film aller Action zum Trotz ein spannender Krimi, in dem am Ende die Logik sämtliche Mysterien entlarvt und schließlich besiegt.
(Ostfriesische Nachrichten vom 30. Januar 2010. Trailer: Warner)