INTERVIEW mit Dorothea Vogt

"Radikalenerlass war Gift für die Demokratie"
Vor 50 Jahren am 28. Januar 1972 wurde der sogenannte Radikalenerlass verabschiedet. Zu den Betroffenen, die dadurch ihren Job verloren, gehörte u.a. Dorothea Vogt, die als Lehrerin Deutsch und Französisch am Mariengymnasium in Jever unterrichtete. 1991 durfte sie wieder zurück an ihre alte Schule. Ihr Fall sorgte bundesweit für Schlagzeilen, nachdem sie bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gezogen war und dort erfolgreich gegen das ihr zwischenzeitlich auferlegte Berufsverbot geklagt hatte. Werner Jürgens sprach mit der Lehrerin, die mittlerweile pensioniert ist und heute abwechselnd in Frankreich und Deutschland lebt.
 
Frage: Wie und warum waren Sie vom Radikalenerlass betroffen? 
Dorothea Vogt: Auslöser war, dass ich einen Infostand für die DKP angemeldet habe. Das war im Bundestagswahlkampf 1980, als Helmut Schmidt und Franz-Josef Strauß gegeneinander angetreten sind. Wer das damals miterlebt hat, wird sich vermutlich noch gut daran erinnern können, dass das ganz schön hoch her ging.

Frage: Was wurde Ihnen konkret vorgeworfen?

Vogt: Der Hauptvorwurf war, dass ich für die DKP öffentlich in Erscheinung getreten bin. Später kamen weitere, zum Teil recht abstruse Vorwürfe hinzu. Beispielsweise habe ich einmal auf einer Veranstaltung des DGB einen Kranz niedergelegt zum Gedenken an Menschen, während der NS-Zeit in Wilhelmshaven Zwangsarbeit leisten mussten und dort umgekommen sind. Das war im Namen des Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Das hat man als Indiz dafür genommen, dass ich angeblich nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen würde. Im Kern ging es um die VVN, die als verfassungswidrig angesehen wurde. 
 
Frage: Und was war mit ihrer Tätigkeit als Lehrerin? 
Vogt: Mir ist weder in den zahlreichen Anhörungen, den Gerichtsverhandlungen noch in den Urteilen jemals ein Fehlverhalten innerhalb oder außerhalb der Schule vorgeworfen worden. Ich habe auch nie in der Öffentlichkeit gehetzt, jemanden beleidigt oder eine Institution diffamiert. Es ging immer bloß um meine politische Haltung. 
 Ausführliches Interview im Jeverschen Wochenblatt vom 31. Januar 2022
Foto: privat