"Bop Cats" im Foyer der Stadthalle
Hundert Jahre Jazz im Schnelldurchlauf
wj Aurich. Für sie hat unter anderem bereits Udo Lindenberg die Trommelstöcke geschwungen. Seit über 40 Jahren sind die Hamburger „Bop Cats“ eine feste Größe innerhalb der deutschen und europäischen Jazz-Szene. Am vergangenen Freitagabend gastierte das Quartett aus der Hansestadt in der Auricher Stadthalle. Da nur etwas gut 50 Zuschauer gekommen waren, fand das Konzert im Foyer statt.
Das Motto des Abends lautete „Von Ragtime bis Rock“. Tatsächlich unternahmen die „Bop Cats“ im ersten Teil ihres Programms den Versuch, dem Auricher Publikum Hundert Jahre Jazz-Geschichte im Schnelldurchlauf nahe zu bringen. Saxophonistin Carin Hammerbacher übernahm dabei die Rolle der Moderatorin und erzählte zwischen Hintergrundinformationen und kleine Anekdoten zu den einzelnen Stücken. Dass das ehrgeizige Vorhaben in der musikalischen Umsetzung nicht immer klappen konnte, ließ sich anhand der limitierten Möglichkeiten einer Quartett-Besetzung im Voraus erahnen. Sowohl der „Royal Garden Blues“ als Beispiel für den New-Orleans-Jazz als auch der „C-Jam Blues“ von Swing-Legende Duke Ellington wirkten ohne schlagkräftige Bläsersektion im Rücken denn auch ein wenig blutarm. Wesentlich besser lag den „Bop Cats“ hingegen die Stilrichtung, die für den Namen ihrer Band Pate gestanden hat. Beim Bebop-Klassiker„Billy's Bounce“ von Charlie Parker lieferten sowohl Carin Hammerbacher als auch Pianist Klaus Berger und Manfred Jestel am Kontrabass jeweils ein paar feine Kostproben ihrer virtuosen instrumentalen Fertigkeiten. Auffälligster Akteur war zunächst Manfred Jestel, der mit seinem Bass nicht nur den Rhythmus bestimmte, sondern parallel dazu ursprünglich für Bläser bestimmte Parts zupfte und darüber hinaus einige erstklassige Soli spielte.
In dieser Hinsicht stand Carin Hammerbacher ihrem Bassisten allerdings in Nichts nach. So wunderbar warm wie sie die Töne auf ihrem Saxophon phrasierte, da kam selbst eine ausgewiesen „coole“ Nummer wie „2 Degrees East, 3 Degrees West“ vom „Modern Jazz Quartett“ alles andere als unterkühlt rüber. Ebenfalls regelmäßige interessante Akzente setzen konnte Klaus Berger, wobei dem Mann am Klavier des Öfteren der Schalk im Nacken saß. Beispielsweise untermalte er eine Passage aus Herbie Hancocks „Cantaloupe Island“ geschickt mit Motiven aus dem Evergreen „Tennessee Waltz“. Und hier dürften sich die Geister erneut geschieden haben. Herbie Hancock als Vertreter für Jazzrock und Fusion anzuführen, ging sicherlich in Ordnung. Der Titel „Cantaloupe Island“ ist aber wohl eher noch dem modalen Jazz zuzuordnen. Eine kleine Freejazz-Einlage gaben die „Bop Cats“ ebenfalls noch zum Besten. Doch die war nicht ganz ernst gemeint und geriet sehr zur Freude und Erleichterung des Publikum nur recht kurz.
Einen würdigen Abschluss des ersten Programmteils bildete „St. Thomas“. Die 1956 von dem New Yorker Saxophonisten Sonny Rollins veröffentlichte Instrumentalnummer besitzt einen erfrischend mitreißenden „Calypso-Groove“ und beweist einmal mehr, dass Jazz von je her immer auch Weltmusik gewesen ist, und zwar lange bevor dieser Begriff überhaupt kreiert und geprägt wurde. Beim Konzert der „Bop Cats“ am Freitagabend in Aurich bot dieses Stück dem bis dahin eher zurückhaltend agierenden Schlagzeuger Leif Oestergaard die Möglichkeit, endlich seine raffinierte Schlagfertigkeit eindrucksvoll unter Beweis zu stellen.
Der zweite Teil des Abends war dann ein „richtiges Jazzkonzert“, wie sich Carin Hammerbacher ausdrückte. Weil sich in 40 Jahren Bandgeschichte einiges an Repertoire angesammelt hat, glänzten die „Bop Cats“ jedoch abermals mit einer ungemein vielfältigen Bandbreite, die von George Gershwins „Summertime“ bis hin zu Stevie Wonders „Isn't She Lovely“ reichte. Sowohl im Zusammenspiel als auch bei den ausufernden Solo-Einlagen offenbarte das Quartett aus Hamburg seine große Routine und vermochte den altbekannten Melodien oft einen eigenen Stempel aufzudrücken. Insofern ist es schade, dass bloß so wenig Leute am Freitag den Weg in die Auricher Stadthalle gefunden haben. Dieses feine Jazzkonzert hätte durchaus ein paar mehr Zuschauer vertragen können und auch verdient gehabt.
(Ostfriesischen Nachrichten vom 15. März 2010)